Jetzt habe ich den Trööt hier gefunden und grabe ihn auch gleich aus
Was ist inzwischen aus der schönen alten Bell geworden, ist sie flügge geworden?
Ich kenne diesen Heli aus alten Zeiten noch, durfte selbst mal eine einstellen und einfliegen - was damals durchaus ein Wochenprojekt sein konnte - und kann mich noch gut an ihre Flugeigenschaften erinnern.
Erstmal zur Einstellung, die empfohlenen Werte sollte man einhalten, besonders im Pitchbereich! Bei mehr negativem Pitch als - 1 Grad können die Blätter durchaus mal mit dem Heckausleger Kontakt bekommen, was einen kapitalen Schaden am Rumpf verursacht, die beiden Seitenplatten des Rotorkopfes verbiegen kann und natürlich einige Schrauben und die Rotorblätter kostet. Das Getriebe zerlegt es dabei meist auch, die Rotorwelle ist danach meist nur ganz leicht verzogen. Auch Bumslandungen mit etwas Nick zurück sind zu vermeiden, außer man hat die damals als Zubehör erhältliche längere Rotorwelle verbaut. Damit ist die Gefahr eines Blatteinschlags im Heckausleger minimiert, aber bei rauher Behandlung immer noch nicht ausgeschlossen. Die zyklischen Pitchwerte sollten auch nach Anleitung eingestellt werden, damit kann die Bell auch engere Kurven gut fliegen.
Zu den Rotorblättern: die Holzrotorblätter wiegt man mit Lack aus, das wurde damals so gemacht statt der Schraube, die durch die entstehende Fliehkraft zu einem gefährlichen Geschoß werden konnte. Meist wurden die Blätter mit dünnem Japanpapier überzogen und dann wie ein normaler Holzrumpf, grundiert, geschliffen, nachgrundiert, geschliffen, lackiert, feingeschliffen, ausgewogen, lackiert, ausgewogen, dann gezielt an einigen Stellen nachlackiert für den Blattschwerpunkt und gleiches Gewicht. Alleine der "Rotorblattmodellbau" konnte mehr Zeit beanspruchen als der Bau eines heutigen Helis aus einem Baukasten. Der Blattschwerpunkt sollte auf einen halben Millimeter genau ausgewogen werden, und das Gewicht der Blätter sollte maximal 1/10 Gramm oder weniger abweichen. Dann läuft dieser alte Rotor sehr sauber rund. Der Bügelfolie hat man damals nicht über den Weg getraut, man hat allgemein befürchtet, daß sie durch Temperatureinflüsse die Blätter verzieht, nicht stabil genug ist, sich im Flug ablöst...
Zum Motor: das ist ein alter Rizinusbrenner mit Kolbenring, ein Nitromethananteil von 5 - 12 % ist hier durchaus vorteilhaft, der Motor kann dann leicht fett betrieben werden, ohne daß er stottert. Der Ölanteil sollte 20 % betragen. Die heutige Chemiesuppe mögen diese Motoren weniger, die Verbrennungsflamme zischt zwischen Kolben und Kolbenring durch, da Synthetiköl dünner ist. Der Kolbenring glüht aus und der Motor verliert schnell an Kompression, läuft nicht mehr durch und springt nur unwillig oder gar nicht mehr an. Mit dem etwas dickflüssigerem Rizinusöl dichtet der Kolbenring optimal ab, der Motor kann damit mit viel Geduld sehr sauber eingestellt werden und läuft zuverlässig durch. Ich habe in meinen Flächenmodellen damals bevorzugt diese Bernhardt Motoren geflogen, da sie vom Leerlauf mit ca. 1700 - 2000 Umdrehungen (je nach Größe) bis Vollgas sehr sauber liefen.
Zum fliegen: die Bell ist bei Windstille fast schon stabil im Schwebeflug, die Konstruktion des Rotorkopfes sorgt für den schon erwähnten und damals zur Stabilisierung gurchaus erwünschten Blattkegel. Dadurch neigt die Bell dazu, sich immer ein klein wenig einpendeln zu wollen, vor allem bei Wind. Sie wird dabei aber nie bösartig, sondern reagiert angenehm weich auf kleine Korrekturen. Im Bodeneffekt schaukelt sie bei einem längeren Schwebeflug gerne ein wenig, was man aussteuern muß - oder man zieht sie einmal auf ungefähr Kopfhöhe, raus aus dem Bodeneffekt, und landet sie dann ohne langes anschweben. Im Rundflug neigt sie leicht zum aufbäumen, hier wurde damals oft die Trimmung für Nick leicht nach vorne geschoben - was den Übergang in den Schwebeflug schwierig machte. Mit ein klein wenig Nick nach vorne halten gleitet die Bell sehr gleichmäßig vorwärts. Dieses Verhalten wird durch die Kombination leicht kegeliger Rotor und tragende Rotorblätter verursacht und war damals erwünscht, damit der Schwebeflug ein wenig erleichtert wurde.
Für die damalige Zeit war diese Bell ein fortschrittlicher Heli. Ich würde gerne wieder eine im Flug erleben
_________________
Es wird oft gesagt "das geht nicht". Bis Jemand kommt der das nicht weiß - und es einfach tut