Mensch, Mensch, Mensch - hier wird ja mal wieder richtig diskutiert. Als Techniklaie, gerade mal Achterflieger und Strategieberater will ich euch mal einen anderen Blickwinkel nahe bringen: Marketing bzw Produktpositionierung.
Stellt euch mal ein Koordinatensystem vor, in der ihr die verschiedenen RC-Helis entlang zweier Dimensionen einsortiert: Fähigkeiten des Produkts auf der Y-Achse und Einstiegshürde auf der X-Achse.
Ein PicooZ, ein DF4er oder ein Koax (jeweils als Set inkl Funke) haben sicherlich geringe Produktfähigkeiten: Fixpitch Heli, der PicooZ noch nichtmal wirklich steuerbar, kein 3D, wenig konfigurierbare Funke usw.
Die Einstiegshürde ist aber auch wirklich gering - niedrige Anschaffungskosten, man kann ihn im Wohnzimmer oder der Tiefgarage fliegen, man kann ihn aus der Luft fangen ohne sich zu verletzen (nicht wie der Rex600 in dem Video) usw.
===> Klare Einsteigerpositionierung in der Matrix (unten links)
Ein individuell zusammengestellter T-Rex, Ronin, Eco, Tomahawk (oder ...) mit professioneller Funke (MX16, FX-18 oä) hat sicherlich eine andere Positionierung - aus dem Bauch heraus würde ich sagen, man hat wesentlich höhere Produktfähigkeiten durch 3D, konfigurierbare Funke, Ausbaubarkeit durch zB Nightblades, eine FCO² zwischen den Kufen usw. Die Einstiegshürde ist allerdings hoch - man bekommt einen Haufen Kleinzeug, eine 50 Seiten starke Anleitung für die Funke und einen Heli den man, bei falscher Einstellung, innerhalb weniger Sekunden an die Decke fliegen oder durch panisches Knüppelzurückreissen mit dem eigenen Rotor kaputtmachen kann (Minuspitch und harte Landung).
===> Klare Positionierung in der oberen rechten Ecke unserer Matrix als "Profiheli" (bzw für den "ernsthaften Modellflieger", wie Walter so treffend schrieb)
Wenn ich mir jetzt die Produktfähigkeiten eines Pitchheli-Sets (zB ein 36er 'nahezu' RTF Paket) anschaue, also eines Helis der begrenzt 3D-Fähig ist, mit einer begrenzt programmierbaren Funke geliefert wird usw - dann muss ich sagen, er liegt wohl irgendwo in der Mitte.
Allerdings liegt die Einstiegshürde meiner Meinung nach links von der Mitte (geringer Anschaffungspreis, theoretisch fliegt er out-of-the-box usw - aber auch einen 36er kann man in einer Sekunde zu Bruch fliegen wenn er mies eingestellt ist oder man falsch am Knüppel reisst). Die Einstiegshürde liegt also näher am Einsteigerheli als am Profiheli, während die Fähigkeiten irgendwo in der Mitte zwischen beiden liegen.
===> Der 36er liegt also irgendwo in der Mitte zwischen den klaren Positionierungen von Einsteiger- und Profiheli, mit einer augenscheinlich geringeren Einstiegshürde, als man bei der Produktleistung erwarten würde
Wieso sind jetzt so viele Leute über den vermeintlichen "Walkeraschrott" unglücklich? Dabei hat Walkera es doch lediglich geschafft (dank Niedriglohnlandfertigung, reduzierten Komplexitätskosten durch einheitliches Paketangebot, vermutlich economies of scale und gefühlter breiterer Qualitätsstreuung), dem Einsteiger eine attraktive Produktpositionierung anzubieten - nämlich relativ viel Produktfähigkeit bei geringen Einstiegskosten. [36er Komplettset kostet ~€300, ein anständig ausgestatteter 450SE inkl. Funke und Ladetechnik leicht über €1000]. Und nix für ungut - zum Schwebenüben und für erste Rundflüge reicht dem Einsteiger beides gleich!!
Die Leute, die am lautesten schreien sind meiner Meinung nach diejenigen Leute, die dachten, mit den Einstiegshürden eines Einsteigerhelis einen Profiheli zu bekommen - dann aber mit der Zeit feststellen, dass sie lieber einen Heli mit den Fähigkeiten eines Profihelis wollen.
Auch wenn der Vergleich hier schon viel zu Häufig benutzt wurde: Wenn ich mir einen Golf kaufe, sollte ich mich nicht wundern, dass er keine 250 km/h läuft! Denn der Porsche ist sicherlich das technisch ausgereiftere Auto - aber für die ersten Fahrversuche würde ich keinen 911er nehmen wollen. Und nur, weil bei unseren Helis "Modellbau" draufsteht, sollte man nicht glauben, dass es preislich attraktiv ist, basierend auf einer Golf-Plattform einen 911er nachzubauen.. Man kann aber einen Golf soweit tunen und verbessern, dass er bis zu einem gewissen Grad mit einem 911er mithalten kann - vermutlich ist das aber teurer, als sich von Anfang an einen 911er zu kaufen.
So aufwachen - ich hoffe, ich habe euch nicht alle in den Schlaf geredet
Daher in guter Beratermanier nochmal das Executive Summary
1. DF ist im Marktvergleich attraktiv positioniert
- Technische Positionierung des DF36 liegt zwischen Einsteiger- und Profiheli
- Gleichzeitig liegt Einstiegshürde überproportional niedrig, also dichter am Einsteigerheli
2. Anforderungen eines Helipiloten verändern sich über die Zeit
- Zum ersten üben reicht Mittelmaß
- Wer dann weitermacht, entwickelt zügig Begehrlichkeiten nach mehr Leistungsfähigkeit (3D, Steifigkeit, Präzision usw)
3. Es ergibt sich für jeden einzelnen Helipiloten die Frage, ob er seinen 36er/37er/.. aufrüstet, wenn diese Begehrlichkeiten nach höherer Leistungsfähigkeit entstehen - oder einen Klassenwechsel vollzieht
Cheerio,
Stefan (der seinen Golf schon in Richtung 911er getunt hat - aber gerade über den Klassenwechsel nachdenkt)